Joschka Fischer wird 60

  • Zitat

    Er führte Straßenkämpfe und Kriege. Er hat am Umsturz der Republik gearbeitet, die er dann am Hindukusch verteidigte. "Brecht dem Staat die Gräten, alle Macht den Räten" hatte er Ende der 60er Jahre skandiert, später ersetzte er die Gräten dieses Staates durch Stahlträger. Man kann das - ja man muss das - als Verrat betrachten. Aber man kann - ja man muss wohl - diesen Verrat als Glücksfall der bundesrepublikanischen Geschichte ansehen.

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    "Krieg ist ein zu ernstes Geschäft, als daß man ihn den Generälen überlassen dürfte." Georges B. Clemenceau (1841-1929), Französischer Journalist und Politiker/Ministerpäsident

  • Dass Fischer 60 wird, ist in der Tat nicht von besonderem Belang, aber offensichtlich nutzt die Rundschau diesen Geburtstag - wie in der letzten Zeit in den Medien üblich - die 1968er, die APO etc. in einem ziemlich verzerrten Bild darzustellen. Nur weil Fischer als Grüner Außenminister wurde und in seiner Vergangenheit einer von vielen war, die sich in dem verknöcherten und verlogenen System auflehnten, wird er zur personifizierten 68 gekrönt.

    ... so heißt es dann u.a. in der Frankfurter Rundschau (Link):

    Zitat von Frankfurter Rundschau

    Man stelle sich vor, der Straßenkämpfer Joschka Fischer hätte Erfolg gehabt und der kaum zwanzigjährigen Bundesrepublik das Rückgrat gebrochen. So katastrophal die Politik von Rot-Grün in den Augen ihrer linkesten Kritiker auch gewesen sein mag, ein Sieg der APO im Jahre 1968 oder gar in den 70er Jahren wäre die viel, viel größere Katastrophe gewesen.


    ... da wird Fischer geradezu zum Che Guevara der 68er - das ist nicht nur lächerlich, sondern wiedermal die Fortsetzung der bereits damals gängigen Methode, die Notwendigkeit der Protestkultur mit allen Mitteln zu diskreditieren - es ist nur bezeichnend, dass in diesem Kontext nie von den zahlreichen Altnazis im Parlament, in der Justiz und in den Vorstandsetagen der Industrie die Rede ist und damals systematisch eine objektive Vergangenheits-Aufarbeitung verhindert wurde - in einer Zeit, in der der Vietnam-Krieg tobte und die Bundesrepublik fest an der Seite der USA stand.

    Fischer ist eher ein trauriges Beispiel dafür, wie eine Machtposition angepasster Mainstream erzeugen kann und als "Realo" bezeichnet wird, wer die Beteiligung an einem Balkan-Krieg befürwortet hat und somit zum Wegbereiter dafür wurde, dass heute die Bundeswehr an einem Krieg in Afghanistan beteiligt ist, mit dem ebenfalls das Völkerrecht mit Füßen getreten wird und es bis heute noch kein UNO-Mandat dafür gibt.

    Grüße - doubletrouble

    "Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung wechseln kann." (Francis Picabia)

  • Zitat von doubletrouble

    Fischer ist eher ein trauriges Beispiel dafür, wie eine Machtposition angepasster Mainstream erzeugen kann und als "Realo" bezeichnet wird,


    Das ist doch Quatsch.
    Gefühlte 95% der Alt-68er sind mittlerweile dem Mainstream angepasst, ohne eine solche Machtposition zu haben.
    Die Menschen entwickeln sich halt weiter.
    Und das ist auch gut so, weil der Mainstream (auch Dank der 68er) sich mittlerweile durchaus sehen lassen kann.
    Liberaler und offener als heute in De war es nie, und das haben wir auch Herrn Fischer zu verdanken.
    Die Restlichen 5% setzen sich aus Alt-Hippies zusammen, die in der Vergangenheit leben, weil sie in der Gegenwart gescheitert sind und ihr Losertum so besser überspielen können.
    Das letzte Prozent besteht aus Leuten wie Ströbele, der auch heute noch so lebt, wie er es in jungen Jahren propagiert hat.
    Das kann man ehrenhaft nennen, ich bewundere den Mann auch, aber es ist das Gegenteil von Fortschritt.

    Zitat von Doubletrouble

    wer die Beteiligung an einem Balkan-Krieg befürwortet hat


    Der Balkankrieg war lange vor dem Eingreifen der Nato da.
    Ich war und bin kein Freund des Eingreifens, nicht zuletzt, weil ich familiäre Beziehungen zum Balkan habe.
    Trotzdem gab es dort Mord und Totschlag, für die Herr Fischer nichts konnte und den er mit seiner Partei und der SPD mit Sicherheit durch das Eingreifen beenden wollten.
    Wie gesagt, über die Wahl der Mittel kann gestritten werden, das ganze aber in einen Zusammenhang mit Mainstream und USA als Auswirkung seiner Machtpositionen zu zeichnen halte ich doch für sehr falsch!

    Ach so, ich wünsche dem alten Mann alles gute zum Geburtstag!

  • Zitat von Wurstwasser


    Ach so, ich wünsche dem alten Mann alles gute zum Geburtstag!

    Nanana, der Jung ist gerade mal in der Blüte seines Lebens ...

  • Zitat von doubletrouble

    ...es ist nur bezeichnend, dass in diesem Kontext nie von den zahlreichen Altnazis im Parlament, in der Justiz und in den Vorstandsetagen der Industrie die Rede ist und damals systematisch eine objektive Vergangenheits-Aufarbeitung verhindert wurde - in einer Zeit, in der der Vietnam-Krieg tobte und die Bundesrepublik fest an der Seite der USA stand.

    Da bin ich mit Dir einer Meinung.

    Zitat von doubletrouble

    ...wer die Beteiligung an einem Balkan-Krieg befürwortet hat

    Das einzige, was ich ihm nicht verziehen habe.

    Ansonsten ist er mein meist gehasster deutscher Lieblingspolitiker, steht bei mir auf Nr. 2.

    "Krieg ist ein zu ernstes Geschäft, als daß man ihn den Generälen überlassen dürfte." Georges B. Clemenceau (1841-1929), Französischer Journalist und Politiker/Ministerpäsident

  • Zitat von Boersenfeger

    ähem, ich werde 2010 auch schon 50. Krich ich dann auch nen Thread? :wink:


    Definitiv :D

    Mozilla/5.0 (X11; U; Linux x86_64; de-DE; rv:1.9.1.1) Gecko/20090702 Firefox/3.5

  • Zitat von DasIch


    Definitiv :D


    Und DasIch auch zum 50sten, dann bin ich 90 :P

    "Krieg ist ein zu ernstes Geschäft, als daß man ihn den Generälen überlassen dürfte." Georges B. Clemenceau (1841-1929), Französischer Journalist und Politiker/Ministerpäsident

  • Zitat von Wurstwasser

    Gefühlte 95% der Alt-68er sind mittlerweile dem Mainstream angepasst, ohne eine solche Machtposition zu haben.
    Die Menschen entwickeln sich halt weiter.
    Und das ist auch gut so, weil der Mainstream (auch Dank der 68er) sich mittlerweile durchaus sehen lassen kann.


    ... nun: es geht ja im Thread primär um Fischer und nicht um irgendwelche Prozentsätze - und ich will keineswegs Fischer in Grund und Boden verteufeln; aber er ist weder Dalai Lama noch Che Guevara, nur weil er einst mal einer von vielen der 68er-Bewegung war und - wohlgemerkt zum Glück - mit Rot/Grün die Beteiligung am Irak-Krieg verhindert hat, was aber auch aus einem Schröder keinen Friedensapostel macht.

    Was den Mainstream betrifft, wurde die Kriegsbeteiligung der Deutschen jedoch mittlerweile wieder normativ gesellschaftsfähig gemacht und das sogar wider des Völkerrechts, weil diesbezüglich offenbar das Nato-Bündnis Priorität hat - außer der Linken redet nur niemand mehr darüber.

    Mainstream bedeutet in diesem Sinne auch die ständig vorgeheuchelte politische Mitte, die lediglich nur noch die Mitte der rechten Waagschale bedeutet, wobei alles, was nach links riecht, heute mehr diskreditiert wird denn je. Hessen ist das beste Beispiel für den medialen und politischen Mainstream und die damit verbundene normative Hetzjagd auf Links - und daran sind nun mal die "Realos" bei den Grünen ebenso beteiligt wie der "Seeheimer Kreis" der SPD.

    Eine politische Mitte wäre durchaus wünschenswert - nur sind wir davon kosmische Weiten entfernt - der Mainstream ist rechts und wird als "Mitte" verkauft. In der Tat haben sich diesbezüglich viele Alt-68er einlullen lassen, und Fischer ist nun mal ein Paradebeispiel dafür. Er ist bezüglich der Grünen maßgeblich daran beteiligt, dass es in diesem rechtslastigen Mainstream kaum noch eine wirklich linke Opposition mehr gibt und die Grünen sich angesichts der Rechtslastigkeit des Systems nicht mehr ganz klar links positionieren - das selbe Krankheitssymptom wie bei der SPD.

    Sorry, ich kann dem Mainstream beim besten Willen nichts positives abgewinnen - er verwässert die Realität - wir wandern in großen Schritten einer Zweiklassengesellschaft entgegen, für die solch eingelullte Alt-68er mangels konsequenten Profils keine klare Antwort mehr parat haben, weil sie mit dem Mainstream mit schwimmen und den Weg des geringsten Widerstands bevorzugen.

    Grüße - doubletrouble

    "Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung wechseln kann." (Francis Picabia)