"Vor dem Privatbereich des Journalisten muss ich Halt machen", sagte der Präsident des BND Ernst Uhrlau im Juni 2006 in einem Interview .... "der Geheimdienst habe über die Stränge geschlagen", künftig gelte "absolute Achtung des Privatbereichs" usw. usw. - der BND war zuvor wegen Bespitzelung von Journalisten unangenehm aufgefallen und man tat so, als wäre es ein Skandal, der sich nicht wiederholen dürfe; die Betroffenheit ging quer durch's Parlament.
... acht Tage, bevor dieses Interview publiziert wurde - und das steht heute fest - wurde eine weitere Bespitzelungsaktion gestartet: der E-Mail Verkehr zwischen der Spiegel-Reporterin Susanne Koelbl und dem afghanischen Handelsminister Amin Farhang wurde in Folge vom BND mitgelesen (nachweislich mindestens über 6 Monate). Nun geht es ja nicht "nur" um die Pressefreiheit, obwohl diese aus guten Gründen im Grundgesetz verankert ist - es geht allgemein um den Umgang mit den Persönlichkeitsrechten und dem Grundgesetz, und es geht auch darum, dass solche aufgedeckten Fälle vermutlich noch lange nichts über die Dunkelziffer aussagen; es kann doch nur Zufall sein, dass hin und wieder mal was an die Öffentlichkeit gelangt.
Was die meisten schon ahnten, ist nun Gewissheit: bei der Aktion wurden Trojaner eingesetzt - "Bundestrojaner" waren also spätestens 2006 aktiviert - das nur mal so am Rande. Aber da mittels des Trojaners komplette Festplatten gelesen wurden, kam der BND zu dem Schluss, dass es sich dabei nicht um eine Überwachung von "Telekommunikation" handle - die ist schließlich in diesem Fall bereits gelaufen; dann fällt dies auch nicht unter den Artikel 10 des Grundgesetzes - nach dem Motto: dann ist doch alles im grünen Bereich.
Ich persönlich halte es für einen Trugschluss, nun die Verantwortung für diesen Fall ausschließlich bei Uhrlau zu suchen - man guckt sich einen aus und tut so, als handle es sich wiedermal nur um eine Ausnahme, während der ganze Apparat schon längst gar nicht anders läuft. Es stellt sich doch die konkrete Frage, was bewirken bei solchen Praktiken, die ganz sicher keine Einzelfälle sind, eigentlich die scheinbar klaren Definitionen des Bundesverfassungsgerichts bezüglich der Vorratsdatenspeicherung etc. - ich habe den Eindruck: das ganze ist nur ein großes Kasperletheater, und das Schlimme daran ist, dass sich seit dem Spruch des BVG's die Gemüter beruhigt zu haben scheinen und das Thema quasi als erledigt erscheint; man hört und liest kaum noch etwas darüber.
Unterdessen kam es am 11. März 2008 zu einem deutsch-amerikanischen Abkommen zur "Vertiefung der Zusammenarbeit bei der Verhinderung schwerwiegender Kriminalität", an dem auf deutscher Seite Wolfgang Schäuble und Brigitte Zypriss beteiligt waren. Dabei wurde vereinbart, dass u.a. neben DNA-Profilen auch (laut Artikel 12) Informationen zur Rasse oder ethnischen Herkunft, politische Anschauungen, religiöse oder sonstige Überzeugungen, die Mitgliedschaft in Gewerkschaften und "last but not least" über Gesundheit und Sexualität ausgetauscht werden - und das alles unter dem Deckmantel der Verbrechensbekämpfung.
Nun, ich könnte mich jetzt mit solchen Infos dranhalten (dies sind jetzt nur zwei Beispiele aus dem Spiegel letzter Woche) - für mich stellt sich lediglich die Frage: wie ist es möglich, dass solche - meiner Meinung nach - fast offensichtliche faschistuide Praktiken einfach so geschluckt werden - oder sind die Menschenrechtsverletzungen des chinesischen Regimes, Fackellauf, Gewissen der Sportler etc. so wichtig, dass für die Vorgänge in unserer eigenen Stube die Augen völlig verschlossen bleiben?
Außer Kontrolle (Link zu Spiegel-Artikel)
Sex-Daten für Amerika (Link zu Spiegel-Artikel)
Edit: Die Links habe ich wegen der Länge in Titel-Links geändert.
Grüße - doubletrouble